10. November 2017

Und täglich grüßt die Emanzipation

Bild in der Ausstellung "Frau Architekt" des DAM in FfaM. Foto: Marina Auder

Bild in der Ausstellung "Frau Architekt" des DAM in FfaM. Foto: Marina Auder

Schwere sexuelle Belästigung im EU-Parlament. Ein Bundestag, der so männlich ist wie noch nie. Die Weinstein-Affäre. Setzen sich die globalen Gleichstellungstrends fort wie bisher, dauert es laut einer neuen Studie des Weltwirtschaftsforum (WEF) zur "Gender Gap" noch 100 Jahre bis zur weltweiten Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Wie aber steht es um die Gleichstellung in der Kreativwirtschaft - oder noch fokussierter gefasst in der Szene der räumlichen Inszenierung und der Live-Kommunikation? Zumindest kommunikativ wird das Thema aktuell nicht vernachlässigt. Die Fachzeitschriften m+a report und tagungswirtschaft haben gemeinsam mit der Messe Imex die Umfrage „Frauen in der Veranstaltungsindustrie – gleichberechtigte Akteurin oder Assistentin?“ ins Leben gerufen. Der Zuspruch darauf war unterwartet hoch. Die Ergebnisse decken laut Kerstin Wünsch, Chefredakteurin der Zeitschrift Tagungswirtschaft „große Baustellen bei der Gleichbehandlung der Geschlechter auf.“  Auf meine Frage nach ihrem persönlichen Anliegen an Unternehmen unserer Branche erklärte sie: „Mir geht es nicht nur um Gleichbehandlung und die Vereinbarkeit von Kind und Karriere, sondern um Diversität. Aus Studien und eigener Erfahrung wissen wir, dass vielfältige Teams innovativer sind. In Anbetracht der vielen, komplexen Fragestellungen unserer Zeit, scheint es mir klug, die weibliche Sicht der Dinge (stärker) zu berücksichtigen.“

Wir wissen: allein aufgrund des demografischen Wandels wäre es fahrlässig, mit der Umsetzung einer absoluten Gleichberechtigung noch 100 Jahre zu warten. Und so bin ich äußerst dankbar, dass sich das Wirtschaftsmagazin Brand eins aktuell dem Thema „Frauen/Männer/Arbeit“ widmet. Hoffen wir mal, dass alle emanzipationsentnervten Leser sich auf die Lektüre dieser Ausgabe einlassen.

Kurz vor Erscheinen habe ich gemeinsam mit meinem Kunden Designplus ein Statement zum Thema Gleichstellung von Frauen in der Kreativwirtschaft erarbeitet. Das Brand eins-Vorwort von Chefredakteurin Gabriele Fischer lässt mich deshalb schmunzeln, weil es mich an die Diskussionen zu meinem Themenvorschlag „Gleichstellung bei Designplus“ erinnert. Frau Fischer eröffnet das Thema mit der Feststellung, dass das Thema aufgeklärten Menschen mittlerweile auf die Nerven gehe, aber für den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft unerlässlich sei über das Verhältnis der Geschlechter zu reden. Für Designplus ist Gleichstellung eine Selbstverständlichkeit. Es brauchte ein wenig Überredungskunst, um Designplus von der Relevanz des Themas für ein Pressestatement zu überzeugen. Understatement erscheint mir an dieser Stelle unangebracht. Mein Argument, dass es für den Großteil der Kreativwirtschaft eben leider noch keine Selbstverständlichkeit sei, Frauen und Männer gleichberechtigt zu behandeln und zu bezahlen hat dann letztendlich gezogen. Und so haben wir ein kommunikatives Zeichen gesetzt.

Passenderweise fand kurz danach der dritte „Ladies, Wine & Design“-Abend mit rund 40 Gästen bei Designplus statt. Gaby Krauss, Meike Finkelnburg, Mirja Schwartz und Ruth Scheel haben von ihrer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Unternehmens- und Führungskultur berichtet und mit rund 40 Gästen das Thema Kreativität und Selbstvertrauen diskutiert.
Jessica Walsh startete das Format „Ladies, Wine & Design“ in New York vor dem Hintergrund, dass nach wie vor verhältnismäßig wenige Kreativdirektoren Frauen sind. Jessica ist fest davon überzeugt, dass Frauen das ändern können, indem sie sich und ihre Arbeit gegenseitig unterstützen. Das sehen auch Janina Poesch und Sabine Marinescu, die Initiatorinnen des Stuttgarter „Ladies, Wine & Design“-Formats so: „Wir sind durch und durch Netzwerker und haben in den letzten Jahren schon viel davon profitiert und konnten auch anderen Menschen gute Kontakte verschaffen – egal, ob es sich dabei um männliche oder weibliche Kollegen gehandelt hat. Allerdings haben wir auch gemerkt, dass Frauen untereinander ganz anders agieren und eine andere Loyalität herrscht. Das ist ein schönes Gefühl und wir waren selbst lange auf der Suche nach einem Format wie „Ladies, Wine & Design“. Da sind wir durch Zufall auf die Initiative der Sagmeister & Walsh-Partnerin Jessica Walsh gestoßen. Wir sind sehr stolz, nun ein Teil dieses globalen Netzwerks zu sein.“ Bislang bietet das Format in fünf weiteren deutschen Städten Frauen in der Gestaltungsbranche eine Plattform.

Teil der Ausstellung „Frau Architekt“ im DAM; Foto: Moritz Bernoully
Teil der Ausstellung „Frau Architekt“ im DAM; Foto: Moritz Bernoully

Mit einer Ausstellung wird das Thema Frauen in der Architektur aktuell im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main beleuchtet: Bis zum 8. März richtet sich unter dem Titel „Frau Architekt“ der Blick auf Architektinnen in Deutschland insgesamt. Von 370 Ausstellungen seit der Gründung des Museums im Jahr 1984 galten rund 100 einzelne Schauen Architekten, aber nur vier zeigten das monografische Werk von Architektinnen. Der zeitgenössisch relevantere Grund für diese Ausstellung ist aber wohl der: seit geraumer Zeit studieren mehr Frauen Architektur als Männer – mit anhaltend steigender Tendenz. Von denen, die in der Architektur bleiben, schaffen es aber nach wie vor nur wenige in die erste Reihe - das gilt wohl auch für die interdisziplinäre Kommunikation im Raum mit ihrem Teilbereich Architektur.

So viel gebündelte Energie für das Thema Gleichstellung auf vielen verschiedenen Kanälen sollten wir nutzen: Gehen wir es also an, am besten gemeinsam – Frauen wie Männer gleichermaßen.

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